Tunnel geschlossene Bauweise: Wie entsteht ein Tunnel unter der Erde?
Tunnelbau ist nicht gleich Tunnelbau: Ist die Überdeckung des Tunnels zu gering und der Platz vorhanden, kommt die sogenannte offene Bauweise zum Einsatz. Von einer zu geringen Überdeckung spricht man (nach einer Faustformel), wenn der Abstand zwischen Tunneldecke, auch Firste genannt, und Geländeoberkante geringer ist als der Durchmesser der Tunnelbohrmaschine. Bei der offenen Bauweise wird eine große Baugrube ausgehoben und die Arbeiten werden von oben ausgeführt. Sind die Straßen schmal oder die Flächen über dem zukünftigen Tunnel bebaut, kann der Tunnel nur in geschlossener Bauweise, zum Beispiel mithilfe einer Tunnelbohrmaschine (TBM), hergestellt werden.
Im Fall der Verlängerung der Stadtbahnlinie U5 ins Europaviertel kommen beide Bauweisen zum Einsatz. Der Tunnelabschnitt, der die unterirdische Station Güterplatz durchquert, wird größtenteils unter bestehender Bebauung mit einer Tunnelbohrmaschine hergestellt. Der Tunnel zwischen der Startbaugrube (Höhe Warschauer Straße) und der Rampe (Höhe Dubliner Straße), die die Gleise an die Oberfläche führt, wird in offener Bauweise errichtet.
Wie funktioniert eine Tunnelbohrmaschine?
Eine TBM gleicht einer unterirdisch arbeitenden Fabrik, die den Tunnel vortreibt und auch die Tunnelröhre im Rohbau fertigstellt. Wie traditionell üblich, wurde die Maschine vor Beginn des Vortriebs im Rahmen einer ökumenischen Andacht auf den Namen EVA (für „Europaviertel anbinden“) getauft. Vorne am Kopf befindet sich das Schneidrad. Bei der im Europaviertel eingesetzten Maschine hat es einen Durchmesser von 7,15 Metern. Vor einem circa 9,20 Meter langen Stahlzylinder, auch Schild genannt, rotiert dieses Schneidrad und arbeitet sich mit Hilfe von rund 100 Schälmessern und 29 Schneidrollen durch das Erdreich.
Hinter dem Schild befinden sich die sogenannten Nachläufer. Bei der im Europaviertel eingesetzten Maschine sind es 5 Nachläufer. Hier sind u.a. Steuerstand, Mörteltank, Pumpen und Transformatoren untergebracht. Nachdem die Tunnelbohrarbeiten abgeschlossen sind, können diese einzelnen Maschinenkomponenten (also die Nachläufer) wieder auf anderen Tunnelbaustellen in der Welt eingesetzt werden.
Insgesamt ist die Tunnelbohrmaschine EVA mehr als 80 Meter lang.
Tunnelbau: Ein sogenanntes Erddruckschild wird eingesetzt
Die Ortsbrust, so wird das Erdreich vor dem Schneidrad genannt, wird durch das schon abgetragene Material – den sogenannten Erdbrei – in der Abbaukammer hinter dem Schneidrad gestützt. So wird dem vor dem Schneidrad herrschenden Erd- und Wasserdruck entgegengewirkt und das unkontrollierte Einbrechen des Erdreichs verhindert. In der Fachsprache des Tunnelbaus spricht man in diesem Zusammenhang von einem Erddruckschild (engl. Earth Pressure Balance Shield, kurz EPB). Über Förderschnecke und Förderband wird das abgetragene Erdreich aus der Maschine hinausbefördert.
Unmittelbar im Anschluss an einen Bohrvorgang, auch Vortrieb genannt, werden Betonsegmente, sogenannte Tübbinge, im Schutz des Schildes ringförmig eingebaut. Sie bilden die Tunnelwände. Am jeweils letzten Tübbingring drückt sich die Maschine mit Hilfe von hydraulischen Pressen ab. So entsteht nach und nach der Tunnel.
So arbeitet eine Tunnelbohrmaschine
Premiere im Untergrund gelungen: maschineller Tunnelvortrieb erfolgreich abgeschlossen
Zum ersten Mal wurde in Frankfurt ein maschineller Tunnelvortrieb eingesetzt: Der Vortrieb beider Röhren verlief sicher und wurde erfolgreich abgeschlossen. Die Ergebnisse des sehr engmaschigen Monitorings zeigen, dass nahezu keine Setzungen oder Hebungen auftraten. Mit insgesamt 8.358 Tübbingen haben die Tunnelbohrmaschine EVA und die Vortriebsmannschaft rund 1.700 Tunnelmeter – verteilt auf zwei Röhren – gebaut. Das Projekt „Stadtbahn Europaviertel“ zeigt, was heutzutage beim innerstädtischen Tunnelbau technisch alles möglich ist, und alle Beteiligten konnten mit dem maschinellen viele wichtige Erfahrungen und Know-How im Frankfurter Untergrund sammeln.
Sonderanfertigung: EVA ist an den Frankfurter Untergrund angepasst
Frankfurts EVA ist – wie jede Tunnelbohrmaschine – eine Sonderanfertigung und das Schneidrad ist an die Gegebenheiten des Frankfurter Untergrunds angepasst. Bis etwa zur westlichen Stirnseite der Station „Güterplatz“ arbeitet sich die Maschine durch einen gemischten Boden aus Sand, Kies und Ton. Den restlichen Weg der Strecke bis zum Anschlussbauwerk unter dem Platz der Republik treibt EVA den Tunnel im Ton vor. Hier kommen vor allem die Schälmesser zum Einsatz, die den Ton durch die rotierende Bewegung des Schneidrads sozusagen „abschälen“ – ähnlich so, wie wenn man mit einem Messer über eine kalte Butter schabt und dabei eine Flocke entsteht. Auf ihrem Weg durch den Frankfurter Untergrund trifft die TBM auch immer wieder auf mächtige Kalksteinbänke. Diese kann die Maschine mit den Rollmeißeln zerkleinern. Auch die zu durchfahrenden Schlitzwände aus Beton des Startschachts und der Station „Güterplatz“ werden mit Hilfe der Rollmeißel zerkleinert.
Wo kommt die Tunnelbohrmaschine zum Einsatz?
Die mehr als 80 Meter lange Maschine arbeitet sich vom Startschacht in der Europa-Allee kommend durch die Verbauwände der künftigen unterirdischen Station „Güterplatz“ und bohrt sich anschließend ihren Weg zwischen Hohenstaufenstraße und Mainzer Landstraße in Richtung Platz der Republik. Dort kommt das Schneidrad einige Meter vor der Wand, die an die Wendeanlage der U5 grenzt, zum Stehen.
Nachdem der maschinelle Tunnelvortrieb für die erste Röhre (Südröhre) beendet ist, werden die einzelne Komponenten der Maschine, die sogenannten Nachläufer, in Teilen abgebaut und durch die fertige Südröhre in die Startbaugrube zurückgezogen. Dort wird die Maschine wieder aufgebaut, mit einem neuen Schild und Schneidrad versehen und anschließend erneut auf die Reise geschickt, um auch die zweite annähernd parallele Nordröhre zu bohren.
Die letzten Meter zum Bestandsbauwerk sowie der eigentliche Durchbruch erfolgen bergmännisch mittels Bagger- und Stemmarbeiten unter Druckluft. Die bergmännischen Tunnelbauarbeiten sind notwendig, da die Maschine nicht durch die bestehende Wand unter dem Platz der Republik fahren kann.
Mit insgesamt 8.358 Tübbingen haben die Tunnelbohrmaschine EVA und die Vortriebsmannschaft rund 1.700 Tunnelmeter – verteilt auf zwei Röhren – gebaut.
Weitere Clips rund um die Tunnelbohrmaschine
Das Schneidrad wird zusammengeschweißt
Das Schneidrad wird in 3 Teilen auf die Baustelle geliefert. Dort werden die Teile zusammengeschweißt. Die Schweißarbeiten dürfen aufgrund der Werkstoffe (sogenannter höherfester Baustahl S355J2+N), der Materialdicke von bis zu 50 mm und der extrem engen Bauteiltoleranzen kaum Aufheiz- und Abkühlphasen haben. Daher muss rund um die Uhr geschweißt werden.
Einheben des Schneidrades
Mit einem 500-Tonnen-Autokran wird das 72 Tonnen schwere Schneidrad in die Startbaugrube gehoben.